Rheinmarathon 2022: „Bronze, Silber & Gold! Hab ich nie gewollt! Ich will nur...“

Einen Marathon bin ich noch nie gelaufen, geschweige denn geschwommen. Eigentlich kann ich mir auch nicht vorstellen 42,5 km zu Rudern. Allein von dem Gedanken 2,5h in einem Boot zu sitzen, schmerzt mein Hinterteil! Doch nach etwas Überzeugungsarbeit von anderen Clüblern (Gruß an Janine & Ulrike) und dem Motto „Mit 3 weiteren Mitstreitern im Boot, teilt sich die Arbeit ja eigentlich durch 4“, ließ ich mich dann doch auf dieses Experiment, Rheinmarathon 2022, ein.

Und so kam es, dass ich 2 Monate vor dem Rheinmarathon 2022 in meine Trainingsgruppe eingeteilt wurde und wir uns sehr motiviert 8-10 Trainingstermine rausgesucht haben. Aufgrund von Krankheit & Urlaub haben wir jedoch leider nur drei mal in der Formation trainiert, mit der wir auch an dem Rheinmarathon angetreten sind. Beim ersten Training hat man mich auf Schlag gesetzt. Damit ich den Rhytmus halte, läuft in meinem Kopf „1—2—3“ auf Dauerschleife. Das Zählen hilft tatsächlich für eine konstante Schlagzahl! Wenn ich aber auch noch auf meine Technik achten soll, kommt aufgrund von absoluter Überforderung nur eine Schlagzahl 19 dabei raus. So ist es kein Wunder, dass niemand so richtig Spaß am ersten Training hatte. Im zweiten Training haben wir umgestellt und ich darf endlich als Bugsau glänzen. Das ist übrigens mein absoluter Lieblingsplatz, da mich niemand sieht und ich mich in den Pausen sogar „hinlegen“ kann! Nun scheint auch jeder mit seiner Position und einer Schlagzahl von 22/23 im Boot glücklich zu sein. Vier Tage vor dem Marathon haben wir uns dann zu unserer Generalprobe eingefunden. Dieses letzte gemeinsame Training vor dem großem Tag hat sich für niemanden wirklich gut angefühlt und somit war jeder während des Abriggerns sehr leise. Angst & Sorgen, durchaus gesteigert durch an dem Tag des Rheinmarathons gemeldeten Dauerregens, sind zu diesem Zeitpunkt größer als die Vorfreude.
Der Tag der Regatta war gekommen. Um kurz nach 6 Uhr macht sich der vollgeladene Bulli mit Bootsanhänger auf in Richtung Leverkusen. Trotz Kälte und erstem starken Regen während Fahrt, ist die Stimmung schon recht gut. Als wir angekommen sind, ist es sogar trocken und die Wettervorhersage gar nicht mehr ganz so schlecht: „Wenn wir Glück haben, werden wir nur in der letzten halben Stunde etwas nass!“. So laden wir im Trockenen zügig die Boote ab, riggern auf und befestigen Klebeband zum Schutz vor Wellen. Noch schnell ein Foto gemacht und dann warten alle auf den Aufruf ihrer Startnummer. So langsam ziehen sich die ersten Wolken zu und es wird dunkel. Kurz bevor das erste Boot des Mannheimer Ruderclubs aufs Wasser geht, regnet es leicht. In den meisten Gesichtern ist große Unsicherheit bezüglich ihrer Kleiderwahl zu sehen. – Unter anderem in meinem Gesicht! Letztendlich entscheide ich mich tatsächlich für meine Regenjacke und bin sehr froh darüber, da es nun immer wieder in kurzen Abständen vom Himmel schüttet!

Kurz bevor wir in unserem Boot sitzen, frage ich mich: „Wer zur Hölle überlegt sich einen Rheinmarathon im Oktober zu fahren? Und warum mach ich hier auch noch mit?!“ Pünktlich zu unserem persönlichen Startschuss, kommt dann noch mal so richtig was runter. „Das geht ja gut los!“ denke ich mir. Mit dem Nachlassen des Regens, lassen so langsam auch meine Sorgen nach. Wir finden uns sehr schnell als Mannschaft ein, das Boot steht wie ne Eins und die Laune wird immer besser. Die ersten Kilometer vergehen wie im Flug. Ich kann kaum glauben, dass wir soeben die ersten Boote überholt haben und schon 15 Kilometer geschafft sind. Mit voller Fahrt vorraus überholen wir die nächsten Boote und kämpfen uns die nächsten 10km bis zur gestaffelten Trinkpause durch. Mittlerweile tut der Hintern ganz schön weh und ich weiß kaum noch wie ich im Boot sitzen soll! Während meiner Trinkpause versuche ich mir mein Sitzkissen unterm Hintern wegzuziehen. (Kann mir mal bitte jemand erklären, wie man während eines fahrendes Bootes, in der einen Hand die Skulls festhalten soll und mit der freien Hand dann noch das Sitzkissen, auf dem ich ja immernoch sitze (!), unter dem Hintern wegziehen soll? Genauso fragend habe ich dann auch panisch nach und nach dieses Sitzkissen irgendwie unter meinem Hintern hervorgezogen. Und wenn ich ehrlich bin, weiß ich sowieso schon was die Antwort eines „echten“ Ruderers ist: „Es wird net mit Sitzkisse gerudert & die Handschuh schmeißte jetzt ach gleisch fott“.) Die Mühe hat sich gelohnt. Was doch so ein neues Sitzgefühl für Kräfte mobilisieren kann! Die letzten 10km sind angebrochen und das Ziel ist schon in Reichweite. Doch dann kommt noch mal eine neue Herausforderung auf uns zu: Ein orkanartiger Wind weht uns um die Ohren. Gefühlt können wir kaum noch vorrollen und kommen auch nur noch kaum voran. Obwohl uns unser Steuermann schon die ganze Zeit anfeuert, braucht es noch mal neue Motivation. Das bedeutet in meinem Sinne, dass ich meine Teamkollegen und mich selbst anschreie mit Sprüchen wie: „Da geht noch was!“, „Na los kommt, noch mal aus den Beinen!“, „ Hände auf einer Höhe!“, „Hier wird jetzt nicht nachgelassen. Durchziehen!“. (An dieser Stelle eine kleine Entschuldigung an meinen Vordermann. Aber eigentlich möchte ich sagen: „Sorry, but not sorry!“ Ich bin nämlich der Meinung, dass ich dich so sehr genervt habe, dass du so schnell wie möglich aus diesem Boot rauswolltest. Somit habe ich das Beste aus dir rausgeholt :-)

Nach und nach zählen wir die Kilometer runter: „Jetzt nur noch vom Kraftwerk nach Hause!“ versucht uns unser Steuermann zu motivieren. Und ich denk mir: „NUR noch?! Total motivierend!“. Und plötzlich haben wir keine zwei Kilometer mehr vor uns. Wir ziehen das Tempo an und für den letzten Kilometer holen wir noch mal alles raus. Mit Vollgas fahren wir durch die hohen Wellen und zu meinem eigenen Erstaunen macht mir der Schlusssprint noch mal richtig Spaß! Ich kann es kaum glauben! Wir haben es geschafft. Mühevoll rudern wir mit den allerletzten Reserven an die Pritsche. Ich bin sehr erleichtert als wir Boot & Skulls wieder am Land haben.

Glücklich fahren die Mannheimer mit insgesamt 3 Medaillen (Bronze, Silber & Gold [-Hab ich nie gewollt. Ich will nur..]) und einer tollen Leistung wieder in Richtung Mannheim.

Nach dem Abladen der Boote gibt es für den ein oder anderen noch eine wohlverdientes alkoholfreies Getränk & Essen in der Stadt.

Mein persönliches Fazit:
Ich bin froh, dass ich mich auf diese Erfahrung eingelassen habe. Gleichzeitig bin ich auch froh, dass es jetzt vorbei ist & ich es überstanden habe. Dennoch kann ich jedem empfehlen, der mal bei einer Langstreckenregatta mitmachen möchte, an dem Rheinmarathon teilzunehmen. Denn der Rheinmarathon ist tatsächlich sehr abwechslungreich: Mal etwas Regen, mal etwas Sonne. Mal ein Boot zum Überholen, mal Berufsschifffahrt und große Wellen. Mal sehr wenig Wind, mal orkanartige Windstärke. Da vergehen auch 43 Kilometer fast wie im Flug.

Zu guter letzt möchte ich mich bei dem Orga-Team, bei unseren Fahrer Dietz & bei unseren Steuermännern & -frauen für den insgesamt doch sehr schönen Tag bedanken! Vielen Dank auch an mein Team. Ihr seid ein großer Grund dafür, warum dieser Tag nicht ganz so mies war.

Autor: Mannheimer Ruder Club 1875 e.V.

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